Vorbilder

Juli 11, 2021

Haben wir nicht schon genug Bilder,
stellen nicht genug Leute Ihre Ideen vor?

Vor fast vier Jahrzehnten hat mich ein Buch von dem Jugendpfarrer Busch aus Essen tief beeindruckt. Er stellt in den „Plaudereien in seinem Studierzimmer“ ganz verschiedene Persönlichkeiten, welche ihn geprägt haben vor: Da sind Philosophen, Theologen und Freiheitskämpfer wie Dietrich Bonhoeffer dabei, aber auch einfache „Stundenbrüder“ und Verwandte hier aus Süddeutschland. Damals musste man sich noch andere Bücher ausleihen oder kaufen um dann mehr von diesem Jugendpfarrer zu erfahren: wie ihm einzelne Jungs bei seiner Tätigkeit in Essen wichtig waren, wie er selbst zum Diener in seinem Glauben wurde. Später kamen dann Tausende und hörten ihm bei seinem Generalthema „Jesus unser Schicksal“ zu. Dieses kleine Buch war auch hier immer mal wieder Thema bei der Jugendarbeit oder Ansporn für Zeltlagermitarbeiter.

Aber als Jugendlicher hat mich die Geschichte von Christiane F. beeindruckt. In den „Kindern vom Bahnhof Zoo“ erzählte sie, wie sie in alldem Chaos und den menschlichen Abgründen dennoch menschlich und mitfühlend blieb und zum Schluss selbst den Realschuldirektor verstehen konnte , wenn er ein Mädchen mit ihrer Lebenserfahrung gar nicht in seiner Schule haben wollte.

Ja, jeder Mensch ist wichtig und manchmal können Menschen, die gar nicht zu beneiden sind , dennoch in gewisser Weise Vorbilder sein. So muss ich an eine alleinerziehende Mutter mit zwei Söhnen denken, die nachts noch in Biker-Kneipen bedienen musste und dann gar nicht zu den Kindergartenmammis passte. Dennoch hat sie ihren Söhnen Höflichkeit und Verständnis für andere beigebracht, umso mehr, als dass sie selbst wenig davon erfahren hat.

Umgangsformen konnte ich auch bei den Segelfliegern lernen. Zum Beispiel, dass alles seine Zeit hat: Party feiern und Bier trinken , aber auch nüchtern sein und fliegen. Dieses gegenseitig auf einander achten als Miteinander und nicht von oben herab, das habe ich manchmal in Gemeinden vermisst. Obwohl der Blick von oben bei Antoine de Saint-Exupéry so tolle Ideen wie den „kleinen Prinzen“ hervorgebracht hat und im „Nachtflug“ klar wird, dass auch Postboten Durchhaltevermögen brauchen, nur damit wir unsere Post rechtzeitig bekommen. In seinem komplizierten Werk „Stadt in der Wüste“ wird ausführlich die Wertschätzung eines jeden Einzelnen dargelegt. Dabei kommt mir die Frage auf: Können auch Dinge nicht nur schöpferische Kraft von Menschen beinhalten, sondern auch ein Spiegel Ihrer Treue sein? Schon in meiner Kindheit hat mir mein älterer Bruder vorgelebt, Dinge nicht nur zu gebrauchen sondern sie auch zu pflegen, zu reparieren, zu verstehen wie sie funktionieren. Ja und dann auch die Menschen die sie gemacht haben als Teil der Schöpfung zu sehen. Da kommt dann die Dankbarkeit gegenüber Gott und den Erfindern vor Generationen dazu. Ja das hat Jesus uns vorgelebt: Vorbild – nicht VorVerUrteiler.

Und dann dieser friedliche Weg, die andere Wange hinhalten, wer hat das konsequenter umgesetzt als Gandhi? Ein ganz anderer Glaubenshintergrund, ganz andere Gesellschaftsformen, aber wir müssen diese Vorbilder nicht als Konkurrenten zu unseren Glaubensvätern sehen. Nein, was gelebte Friedfertigkeit angeht, kommen wir an Gandhi kaum vorbei und das ist gut so.

Aber auch hier in Calw ist ein Pazifist und Antiheld geboren und hat als Missionarssohn sich viele Gedanken über die Abgründe in der menschlichen Seele aber auch über Glaubensfragen gemacht. Dass dann buddhistische Gedanken im Laufe seines Lebens immer wichtiger wurden, schmälert dennoch nicht seine Einblicke in „Steppenwolf“, „Narziss und Goldmund“ und das „Glasperlenspiel“. Hermann Hesse ist sicher tief durch christliche Werte geprägt und gerade dadurch kommen die verschiedenen Begabungen (Charismen) bei seinen Gestalten vor. Ja wir können lernen für alle Menschen, aber auch für unsere eigene Seele offen zu sein, dennoch bleibt Jesus unser Schicksal.

Und da kommt dann auch schon „Der fromme Chaot“, alias Adrian Plass einher, wie herzerwärmend er die verschiedenen Gestalten seines Hauskreises beschreibt und immer wieder seine eigenen Fettnäpfchen offenlegt , das hat uns über viele Jahre als junge Eltern in Mainz begleitet.

Als Gegenstück darf dann der jüdische Uhrmacher und Vater von Corrie ten Boom nicht fehlen, wie er in allen Lebenslagen an seinen Psalmen festhält. Wie Geborgenheit trotz verzweifelter Lage entstehen kann. Wie eine Familie in aussichtslosen Situationen dennoch Dankbarkeit gegenüber Gott empfindet, der inmitten all des Entsetzlichen mit-leidet, mit-trägt und sogar die Kraft schenkt, dort wo Brutalität und Hass regieren, Liebe zu verbreiten.

Ja, wir brauchen gerade auch jetzt Vorbilder und müssen lernen über Generationen hinweg über unsere Vorbilder zu sprechen: All diese Vorbilder sind -bis auf Jesus- natürlich auch nur Menschen mit ihren Schattenseiten, aber gerade dadurch können wir stehenlassen, den Respekt lernen und das Gute, das sich mit unserem Glauben deckt, herausziehen und multiplizieren.

Ein Beitrag von Uli Friesinger

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